9.-12.4.2017 Maisod








9. April 2016 | Ankommen in Maisod

Ein großer Teil unserer Moral und unseren Lebens schlechthin steht noch immer in jener Atmosphäre der Verpflichtung und Freiheit zur Gabe. Zum Glück ist noch nicht alles in Begriffen des Kaufs und Verkaufs klassifiziert. Die Dinge haben neben ihrem materiellen auch einen Gefühlswert.
Marcel Mauss: Die Gabe, Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2016, S.157

Vor dem Tor des Châteaus wartet die ganze Gruppe. Jubelnde Begrüßung. Zum Ankommen machen wir Picknick im Schlossgarten. Bernard laden wir natürlich dazu ein. Alle packen aus, was sie noch haben und so wird es eine vielfältige, reiche Mahlzeit. Alle Lebensmittel kommen von anderen Orten, tragen Geschichten, sind von jemandem gegeben. 

Danach machen sich einige von uns auf, um Wasser, Essen und einen Schlafplatz zu erfragen. Sogleich werden wir an den Farmer im Ort verwiesen. Auf seinem Hof stehen wir so lange herum, bis er aus dem Fester schaut. Lange graue Haare, Schnurrbart, große Nase; er hört sich erstmal an, was Laura erzählt. Irgendwann sagt er, dass wir warten sollen, er käme runter in den Hof. Nach einer Weile kommt er, setzt sich mit uns aufs Gras, unterhält sich über Agrarpolitik, dies und das, schweigt. Irgendwann sagt er, dass es in Ordnung wäre, wir könnten helfen, auf einer seiner Wiesen zelten und morgen mit ihm einkaufen fahren. Wir folgen ihm. Er zeigt uns die herrliche Landschaft um den Hof, dann unsere Zeltwiese bei seinen Eseln, gibt uns frische Milch und Kuchen. Es ist angenehm, weil er sich uns, wie mir scheint, nicht zu sehr verpflichtet fühlt, sondern genau überlegt, was ihm recht ist.

Abends gibt es Feuer, Reste- und Wildkräuteressen und eine erste Erzählrunde.  

9. bis 12. April 2016 | Maisod

Unsere Feste sind die Bewegung der Nadel, die die Teile des Strohdachs zusammennäht, so daß sie ein einziges Dach bilden, ein einziges Wort.
Marcel Mauss: Die Gabe, Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Suhrkamp Verlag Frakfurt am Main 2016, S.33 und 35

Jeden Morgen helfen Sophia und Laura morgens um 8 Uhr beim Melken. Wir anderen schlafen aus oder gehen Schwimmen. Um 10 Uhr treffen wir uns mit Una, die eine Ferienwohnung gemietet hat, zum Frühstücken auf der Eselwiese. Bruno kommt auch dazu, bringt frische Milch und Gebäck. 
Die drei Tage bei Bruno verstreichen rasch. Wir befreien die Wiesen von Steinen und Bäumen, füttern die Kühe, stellen Zäune um, gehen baden, sammeln Kräuter. Wir sprechen über unsere Reiseerfahrungen, über das Geben, Nehmen und Annehmen, über Anerkennung, Vertrauen und kommen auf erste Ideen für Folgeprojekte. 

Die gemeinsamen Mahlzeiten sind Feste. Bruno scheint es auch zu genießen, dass wir da sind. Una räumt seine Küche auf, wie nehmen sein Haus ein, als wäre das natürlich und sitzen in seiner Küche bis spät zusammen

12. April 2017 | Maisod – Freiburg

Rückreisetag. Schade, von Bruno Abschied zu nehmen. Morgens hilft Sophia wieder beim Melken, einige beim Zäume umstellen, während wir anderen zusammenpacken. Eigentlich wollen wir schnell los, aber Bruno holt frische Milch und ein riesiges Stück Comté. So bleiben wir noch zum Frühstück vorm Haus sitzen.

Wir wollen uns noch nicht trennen und so beschließen alle, nach Freiburg zu trampen. Bruno fährt uns zu einer Stelle, an der wir besser lostrampen können. Der Erste, der uns mitnimmt, spricht Englisch. Was für eine Befreiung für mich, endlich wieder mitreden zu können. Als wir ihm von unserem Projekt erzählen, lädt er uns gleich zum Mittagessen ein, obwohl wir sagen, dass wir auf der Rückreise wieder Geld verwenden dürfen. Er überlegt, was er uns schenken könnte, und überreicht uns beim Aussteigen eine Postkarte und eine Materialprobe aus seiner Firma.

Der Nächste fährt uns, obwohl er dort nicht hin muss, über Landstraße zur Autobahnraststätte. Der Dritte will uns zum Abschied 50 Euro in die Hand drücken, damit wir uns ein Sandwich kaufen. Als wir ablehnen steckt er uns 20 Euro zu. Wir sind zu müde, um uns zu wehren. Ich sage, dass das doch zuviel für ein Sandwich wäre. Er sagt, das Restgeld sollten wir dann eben weiter verschenken. 

Auf einer Raststätte geht es nicht voran, deshalb wollen wir uns trennen. Ich verabrede mich mit einer Frau, die an Freiburg vorbei fährt, aber erst noch Pause macht. Wir finden doch jemanden, der uns zu dritt mitnimmt. Ohne der Frau nochmal Bescheid zu sagen, fahre ich ab. Ein paar Raststätten weiter treffe ich sie wieder. Sie ist sauer. 

Einer, der uns mitnimmt, redet sehr viel und bedankt sich sehr für das Gespräch. Ich bin langsam müde. Gut, dass im nächsten Auto Una das Sprechen übernimmt. Auf den Raststätten treffen wir immer wieder die anderen Reisegrüppchen. Es ist anstrengender, mit erhofftem Ziel zu trampen. Oft denke ich, dass wir nicht mehr ankommen.

Der Letzte, der uns bis nach Freiburg mitnimmt, hört gerade eine Radiosendung über ein Pärchen, dass drei Jahre mit sehr wenig Geld um die Welt gereist ist. Damit beschließen wir den Tramptag. In Freiburg dürfen wir wieder in der gleichen WG wie auf dem Hinweg schlafen. Zu zweit eingeladen, kommen wir plötzlich zu fünft. Una lädt uns zum Essen ein.  Am Morgen bereiten Anne-Lena und ich ein Frühstück, genussvolles Einkaufen beim Bäcker!

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